Ab
1993/94 Zusatzchor Opernhaus Zürich
Konsolidierung
unter Erich Widl
Längere
Partien, unregelmässigere Proben
Start
in die Zukunft
Ab 1993/94 Zusatzchor
Opernhaus Zürich
Am 5. April 1993 ging, etwas abseits des ehrwürdigen
Hauses am See, im Zunfthaus zur Schmiden an der Marktgasse, ein
für die Geschichte des Opernhauses markantes Ereignis vor
sich: die Gründung des «Zusatzchors Opernhaus Zürich».
Die Beziehungen zwischen dem Opernhaus und den Laienchören
wurden damit auf eine neue, solide Basis gestellt. Laienchöre
als Verstärkung des Berufschors gibt es in Zürich fast
schon so lange wie das Stadttheater selbst, denn damals war der
Berufschor noch viel kleiner als heute. Als 1904 die Aufführung
einer ganzen Reihe von Werken Richard Wagners geplant wurde, sah
man sich genötigt, eine Anzahl Sänger beim Lehrergesangsverein «auszuleihen».
Die Teilnahme an Vorstellungen des Stadttheaters wurde in diesem
Konzertchor so beliebt, dass bald ein eigener Zweig, der «Theater-Lehrerchor»,
gegründet wurde.
Konsolidierung unter
Erich Widl
Ein weiterer wichtiger Schritt wurde dann mit
der Gründung einer hauseigenen Chorschule nach dem 2.Weltkrieg
vollzogen, woraus in der Folge der «Extrachor» entstand.
Lange Zeit existierten beide Vereine nebeneinander und erfüllten
unterschiedliche Aufgaben. Der «Theaterchor-Lehrerchor» etwa
trat traditionsgemäss in Wagneropern auf, der «Extrachor» dagegen
bewältigte neben einigen Opern auch ein immenses Repertoire
an Operetten, die damals fast die Hälfte des Spielplans ausmachten,
und trat darin oft auch als selbständiges Ensemble auf. Das
grösste Gepräge gaben den Chören Hans Erismann,
der 37 Jahre am Stadttheater Chordirektor war, und Alexander Federscher,
einige Jahre Chordirektor und danach, neben seiner Tätigkeit
als Ballettkorrepetitor, Leiter des «Extrachors».
Die Jahre unter Erich Widl (1977-1990) brachten den Chören
einige Höhepunkte sowie eine gewisse Konsolidierung des Betriebs.
Die Vereine begannen nunmehr gemeinsam zu proben, wobei die Sängerinnen
und Sänger in einer Produktion stets paritätisch geteilt
eingesetzt wurden. Zu den Höhepunkten der vergangenen Jahre
gehören solch verschiedenartige Auftritte wie die Massenszenen
in «Boris Godunow» (auf russisch!) im Hallenstadion,
die halbszenische, musikalisch sehr anspruchsvolle «Jeanne
d’Arc au bûcher» im Kongresshaus oder die kleine,
aber feine «Engelberger Talhochzeit» (auf schweizerdeutsch!),
mit der durch die entferntesten Winkel der Schweiz getingelt wurde.
Besonders gern erinnern sich die Mitglieder der Chöre auch
an Gastspiele mit «Carmen» in Athen und Dresden.
Längere Partien,
unregelmässigere Proben
Durch verschiedene auswärtige und Grossproduktionen
im Hallenstadion wurden die beiden Vereine beträchtlich aufgewertet
und erhielten einen grossen Zustrom von neuen Sängerinnen
und Sängern. Für das Hallenstadion wurde jeweils vorübergehend
sogar ein dritter, nicht als Verein organisierter Chor eingesetzt.
Nach der Wiedereröffnung des Opernhauses 1984/85 sah man sich
daher mit einer riesigen Zahl von Mitgliedern konfrontiert, die
in den regulären Produktionen des Opernhauses aus Platzgründen
nicht eingesetzt werden konnten. Zudem wurden seit dieser Zeit
an die einzelnen Mitglieder immer höhere Ansprüche gestellt.
Die Partien werden auch heute noch immer länger, während
die Probenzeit sehr knapp und vor allem unregelmässig bleibt.
Oft werden Proben in letzter Minute umdisponiert, und die szenischen
Endproben finden meist vormittags statt. Daneben wird aber auch
die Regie in der letzten Zeit anspruchsvoller (z.B. in Robert Wilsons «Lohengrin»,
in dem jedem Chorsänger der Platz auf der Bühne zentimetergenau
zugewiesen wurde), und die Sänger und Sängerinnen werden
vermehrt auch in kleinen Gruppen eingesetzt. Neben grösster
Flexibilität im Privat- und Berufsleben müssen die daneben
voll berufstätigen Mitglieder der Vereine also einige stimmliche
und darstellerische Qualitäten vorweisen.
Um diesen neune Gegebenheiten Rechnung zu tragen,
bemühten sich der von Zürich an die Deutsche Oper Berlin
berufene Chordirektor Karl Kamper und sein Nachfolger, Jürg
Hämmerli, die Verhältnisse in den Laienchören zu
verbessern und gleichzeitig auch die Qualität zu steigern.
Auch von den Vereinen waren Vorstösse unternommen worden,
um durch die Zusammenlegung der Chöre einfacher und dynamischer
arbeiten zu können. In den letzten Jahren bestanden ja fast
nur noch formelle Unterschiede zwischen den beiden. Nach fast zweijährigen
Verhandlungen der Vereine unter sich und mit der Intendanz und
der kaufmännischen Direktion des Opernhauses konnten am besagten
5. April den Mitgliedern beider Vereine endlich die Verträge
zur Abstimmung vorgelegt werden, nach deren Annahme der Gründung
eines einzigen Zusatzchores am Opernhaus Zürich nichts mehr
im Wege stand. Besonders zu bemerken wäre in diesem Zusammenhang,
dass es das erste Mal ist, dass sämtliche Vereinbarungen zwischen
dem Opernhaus und den Vereinen schriftlich festgehalten sind. Dies
wurde im Anschluss an die Versammlung mit einem Abendessen gefeiert,
und der anwesende kaufmännische Direktor des Opernhauses,
Jürg Keller, überbrachte als «Ehestifter» die
ersten Glückwünsche an den neugeborenen Chor, die der
frisch gewählte Präsident, Peter Bürki, freudig
entgegennahm.
Start in die Zukunft
Der neue Verein nahm seine Aufgaben ab der Spielzeit
1993/94 in der neuen Formation wahr und war sofort nach den Sommerferien
in den Werken «Macbeth» und «Lohengrin» zu
sehen und zu hören, während der «Theater-Lehrerchor»-
und der «Extrachor» in ihrer letzten Spielzeit noch
eine dankbare Aufgabe, das Autodafé in der Neuinszenierung
von «Don Carlo» und dazu die Paradepartien in «La
Bohème», «Lohengrin» und «Carmen» erfüllen
durften.
Der «Zusatzchor Opernhaus Zürich» sucht immer
wieder neue Mitglieder, besonders Herren. Voraussetzungen für
die Aufnahme sind das Bestehen einer Stimmprüfung und einige
musikalische Vorkenntnisse. Nach einem Probenjahr kann dann die
Mitgliedschaft im Verein beantragt werden.
© Markus Wyler, 1993
| |
|